Ich nicke, nippe am Schnaps, gebe Sven sein Telefon zurück und mache mich auf den Weg zum Damenklo. Beide zeigen mir ihre Displays - die App ist offen. Einfach mal rumstehen und etwas denken. Tinder gibt es seit zwei Jahren und weltweit finden das viele Menschen super. Raoul lacht.
Na dann schreibt man sich gar nicht mehr. Ihr Gesicht ist angestrengt verzerrt, das Oberteil schnürt sich ungünstig in Jenifers Seiten, das Pferd ist hübsch. Romantiker noch dazu. Wir trinken Bier und Schnaps und reden über die Liebe. Und aufgepasst! Anscheinend zeigen Kerle eher ihre Muskeln oder ihr Auto. Ich frage Raoul, ob ich seinen jüngsten Chat lesen darf.
Ich nutze weder Tinder noch eine andere Sex-App. Keiner hat Sonne im Haar. Jenifer galoppiert uns in einem engen pinken Pullover auf einem sehnigen Pferd entgegen. Eine kurze Umfrage in der Schlange bestätigt, was Raoul vermutet hat: Von den elf Frauen vor mir sind neun bei Tinder und sie werden sofort sehr wütend, als ich nach Kontaktabbrüchen frage.
Sven kommt zurück und bringt Schnaps mit. Keine Party-Nacht ohne Handy: Von Displays beleuchtete Gesichter gehören inzwsichen zum Ausgeh-Standard. Wir prosten den Spaniern zu, die das nicht wahrnehmen, weil sie schon wieder auf ihre Smartphones starren. Oder abends im Klub. Man kann sogar den genauen Umkreis einstellen. Beide haben schwarze Locken, dunkle Augenringe und im Leben augenscheinlich schon etwas zu viel gefeiert.
Damit meine ich nicht nur nachts im Bett allein, sondern auch tagsüber an der Bushaltestelle allein. Blöd finde er eigentlich nur Frauen, die ihn nicht treffen wollen oder nie mehr antworten. Warum mag niemand mehr allein sein? Raoul nickt. Er macht einen Screenshot und schickt ihn an einen Kumpel. Na gut, wir haben kurz über die Liebe geredet und suchen nun auf seinem Handy nach einer Frau zum Ficken. Einige halten mir die "dummen" Profilbilder der Männer entgegen, die ihnen nie wieder schrieben.
Ich frage Raoul, mit wie vielen Frauen er gleichzeitig Nachrichten austauscht, und er muss nachzählen. Ich erkläre ihnen, dass ich Tinder nur übe.
Endlose Fotoreihen von Gebäuden, in denen man wohnen soll, die einem aber eher Angst einjagen. Sven spekuliert, dass das farbenfrohe Foto Lebensfreude ausdrücken soll. Wer lebt schon zügellos am Strand oder wild im Badezimmer? Schöne Finger hat Raoul. Die Jährige sitzt auf einer Bettkante, und ich zähle 18 Sticker aus Kellog's-Cornflakes-Packungen, die auf dem Kiefernholzrahmen kleben.
Auf Tinder-Fotos scheint die Sonne wenn überhaupt nur von hinten durch die Haare. Im Hintergrund eine Wiese und Bäume, darunter ein Zitat aus einem französischen Filmklassiker. Vielen nur kurz 'Hallo' und dann nie wieder. Sein Handy liegt schwer in meiner Hand. Mit manchen schreibe ich mir andauernd, mit anderen ein Mal die Woche oder so. Es herrscht die stille Übereinkunft, kurzfristig mit einem Bild überzeugen zu müssen - nicht mit dem eigenen Wesen oder möglicherweise gemeinsamen Hobbys.
Die Profilbilder der Nutzer sind Grundlage für eigentlich alles. Raoul, 41, Bassist einer spanischen Punkband, sitzt mit seinem Kumpel neben mir. Nichts gegen Vögeln um die Ecke, aber erstens geht das wunderbar ohne Handy und zweitens habe ich die Theorie, dass Paarungsplattformen vor allem deshalb gut besucht sind, weil sich die Menschen miteinander vom Leben ablenken.
Weder in der Bar, noch online. Oder fühlen. Sie hat ihr Bild mit einem Weichzeichner-Filter verschönert. Claudia, so stelle ich mir vor, hockt in ihrem Jugendzimmer und wartet seit Jahren auf das Leben. Gut gebaut, eloquent, intelligent, witzig.
So bekommen viele gar nicht mehr mit, mit wem sie eigentlich ihre Zeit verbringen. Millionen Menschen nutzen weltweit den Onlinedienst, um in ihrer nahen Umgebung nach potentiellen Sexualpartnern zu suchen. Ich mag mir nicht vorstellen, wer sie wohl in diesem Bett besucht. Es ist Ich sehe Raoul in die Augen und frage: "Willst du ernsthaft mit Sabine schlafen? Obwohl wir zwischen vielen Menschen und Alkoholika sitzen, meine ich plötzlich frisches Laub zu riechen und würde gern in seine hellen Locken fassen.
Tinder ist wohl die erfolgreichste Dating-App.
Ich bin traurig, aber mache weiter - ein Satz, der ein ziemlich ehrlicher Tinder-Werbespruch wäre. Wir gehen in den Klub und zählen Display-Gesichter. Bei Tinder zählt nur die Optik, wie in jeder Bar ja auch. Icon: Startseite News Icon: Einweisung Ticker Icon: Spiegel Plus SPIEGEL Plus Icon: Audio Audio Icon: Konto Account.
Ich sehe erst jetzt: Sie trägt als Oberteil nur einen roten Spitzen-BH. Zum Inhalt springen. Früher hätten die beiden hier sich vielleicht in die Augen gesehen, ein paar Dummheiten gesagt und zusammen den Klub verlassen. Wer sich über Tinder per Chat unterhält oder tatsächlich getroffen hat, braucht aber höchstwahrscheinlich starke Nerven. Und das Versprechen ist wichtig. Sven, 30, ist ein blonder Mann mit einem zarten Gesicht. Bei Tinder streicht man die Fotos von Unerwünschten nach links, die Guten kommen nach rechts.
Pfeil nach links. Von links fragt eine raue Stimme, ob ich bei Tinder bin. Icon: Menü Menü. Er geht rüber zur Bar und lässt mich mit seinen Frauen sitzen. Lieber tippen. Und dass er wahrscheinlich trotzdem Recht hat. Sprich: Jemanden um die Ecke zum Vögeln zu finden. Warum wählt man so ein Bild von sich? Claudia poppt auf. Teilweise folge auf wochenlanges Schreiben einfach: nichts.
Ich will mit keinem schlafen. Ich teile diesen Gedanken mit Sven und er schaut mich an, als sei ich etwas langsam im Kopf. Sven will, dass ich auf sein Telefon schaue. Wird kontinentales Frühstück serviert? Musikliebhaber und Händchenhalter. Sind ja auch mehr als genug andere Menschen online. Es geht vielen vielleicht gar nicht so sehr um Sex, geschweige denn um ein reales Gegenüber, sondern um digitale Beschäftigung.
Und fast jedes Bild verspricht etwas, das es eigentlich gar nicht halten will. Die Rede ist von nahezu 50 Millionen Nutzern. Er schiebt das Handy über den Tisch und beginnt sich eine Zigarette zu drehen. Zwei der jungen Frauen stehen in einem Badezimmer, die dritte auf einer Wiese.
Ein spitzer Ellenbogen holt mich zurück ins Jetzt. Ich finde das okay, zumindest ist es ehrlich - bis auf die Selfies halt. Tinder-Nutzer verbringen viel Zeit damit, ihre Inbox zu checken, zu chatten und potenzielle Partner nach deren Selfies auszusuchen. Laut Wikipedia "eine mobile Dating-App, die das Ziel hat, ihren Benutzern das Kennenlernen von Menschen in der näheren Umgebung zu erleichtern".
Hier verabschiedet sich in der Regel niemand, man meldet sich einfach nie wieder zurück. In Bars wird nicht mehr geknutscht, sondern der One-Night-Stand per App gesucht. Tinder-Experten raten, das nicht persönlich zu nehmen. Sein Gesicht erstrahlt bläulich vom Displaylicht, in der Handy-Fickbörse räkelt sich Heike auf einer Kunstfelldecke, und ich lerne, wie ich die Brünette wegwischen kann. Ich stelle mir das ähnlich nervig vor wie übers Internet ein Urlaubshotel zu buchen.
Mal ist der Pool zu klein, mal der Weg zum Meer zu weit.
AoA |
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45 Jahre Frau, Löwe |
Leverkusen, Deutschland |
Persisch(Mittlere), Ukrainisch(Basic), Javanisch(Erweitert) |
Signalman, Supervisor, Ökologe |
ID: 7934256649 |
Freunde: Fran22, Johnik |
Details | |
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Sex | Frau |
Kinder | 2 |
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Status | Aktiver Look |
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Rauchen | Nein |
Trinken | Nein |
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Name | Teresa |
Ansichten: | 6179 |
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